Etwas liegt in der Luft, etwas Undefinierbares, Bedrohliches, das die „alte“ Welt, wie wir sie kennen, aus den Fugen zu heben droht. Zumindest ich empfinde es ganz stark so. Wir leben in Deutschland noch unglaublich sicher, während es um uns herum geradezu „brennt“.
Interessante Aspekte zu dieser Thematik gibt der Artikel von Thomas Assheuer:
http://www.zeit.de/2014/37/weltordnung-irak-syrien-ukraine-krieg
Auszüge aus dem Artikel:
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Töten als archaische real-life action im Wüstensand: Das ist die Hochzivilisation im Jahre 2014 – die aufgeklärte Weltgesellschaft, die ruhmreiche Moderne.
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Der Autor geht dann der Frage nach, wie das wahnsinnige Wüten des IS zu qualifizieren ist, …
Ist es die Wiederkehr des Bösen? Oder die teuflische Menschennatur? Ist es eine Invasion von Barbaren?
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Ein kleine Gruppe stammt aus dem europäischen Kernland, aus England, Belgien, Frankreich und Deutschland. Diese Dschihadisten sind Kinder der modernen Gesellschaft, von Beruf vielleicht Pizzabäcker, Gemüsehändler oder Auslieferungsfahrer. Auch zwanzig ehemalige Bundeswehrsoldaten sind mit dabei. Alle zusammen bilden die größte Freiwilligenarmee der Welt, die gefährlichste Gegenkultur zur globalisierten Moderne, die es gibt.
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… bevor er andere Ereignisse anführt, die aktuell die „alte Weltordnung“ zu zerrütten drohen, und die momentane Weltsituation zu analysieren versucht.
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Zeithistoriker werden nun zu Bedenken geben, solche Erschütterungen seien nicht neu, und in den Kriegen und Bürgerkriegen nach 1989 seien mehr Menschen gestorben als heute…Und doch gibt es einen Unterschied. In den neunziger Jahren hätte man sich mit der Auskunft beruhigt, es handele sich bloß um Übergangskrisen, um den Schmerz des Neuen und die Geburtswehen der Zukunft. So schrecklich das Blutvergießen auch war, so spürte die Weltgeschichte doch einen metaphysischen Rückenwind und schien auf jenen Zustand zuzusteuern, den George Bush der Ältere versprochen hatte: eine globale Ordnung von Recht und Freiheit.
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Von diesem metaphysischen Rückenwind ist nichts mehr zu spüren. Es herrschen Aufruhr und Destabilisierung, Kriegsangst geht um. Während man damals glaubte, blutige Konflikte gehörten der Vergangenheit an, so glaubt man das heute nicht mehr.
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Gern wird auch vergessen, wie sich 1989 der siegreiche Westen in vollendeter Selbstgerechtigkeit zur Premiumzivilisation aufpumpte, die die Menschheit vom Kommunismus erlöst hatte und nun das gottgefällige Recht in Anspruch nehmen durfte, allen Erlösten den immergleichen neoliberalen Heilsplan zu verordnen: den Anschluss an den Weltmarkt und die Kapitalisierung von allem und jedem. Gewiss, der Wohlstand wuchs, aber es wuchs auch das Gefühl von Überwältigung, von westlicher Bevormundung und Fremdbestimmung. Und was die Ausbeutung der Elenden angeht, wird niemand behaupten, multinationale Konzerne seien nicht verlässlich. Sie sind es. Verlässlich verlangen sie maximalen Profit bei minimalem Lohn. Am Ende dürfen die Ärmsten der Armen auch noch das eigene Trinkwasser teuer bezahlen, weil die Wasserversorgung privatisiert wurde. Gern auch das genveränderte Saatgut, noch so ein Spitzenprodukt der überlegenen westlichen Wertegemeinschaft.
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Diese Beschreibung lässt sich erweitern, denn auch die Unterscheidung von Normalität und Ausnahmezustand löst sich auf, ebenso die Bestimmung von Freund und Gegner. Der Todfeind von gestern ist der Alliierte von morgen, und Deutschland bewaffnet kurdische Kämpfer, die gestern noch als „Terroristen“ galten.
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Alles deutet darauf hin, dass wir Zeugen sind für die brutale Realität der neuen, multipolaren Welt – einer Welt, in der es, vereinfacht gesagt, zum ersten Mal seit Entstehung des neuzeitlichen Staatensystems keine politisch-kulturelle Hegemonialmacht mehr gibt, keinen magnetischen Pol.
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So aberwitzig es klingt: Selbst der Dschihadismus betreibt, wie Bernd Rheinberg in den Blättern für deutsche und internationale Politik (9/14) schreibt, „Empire-Building“. Sein marodierendes Söldnerheer tötet für ein islamisches Reich, für eine klerikal-faschistische Ordnung als eigenen Machtpol innerhalb der Weltgesellschaft.
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Die Vereinten Nationen dürften dabei die Rolle der Mutter Teresa übernehmen. Für sie bleibt die Wüste.
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