Die Zeit in Israel liegt nun eine Weile zurück. Der Aufenthalt dort war eine Bereicherung, trotz oder gerade wegen den Raketenangriffen der Hamas. Der Terror hat auch Europa endgültig erreicht, wie der Anschlag gestern leider deutlich machte.
Ich übe heute Abend Weltflucht und werde mich gedanklich nach Israel aufmachen, auf die letzte Etappe meiner Reise in den Norden Israels.
Nachdem ich mich von der herausfordernden Radtour erholt habe, begab ich mich von Tiberias nach Haifa, wo ich einige Tage verbringen wollte. Ich reiste mit dem Bus, neben mir saß eine arabische Israeli. Der Bus war voll mit Soldaten, die nach dem Shabbat wieder in ihre Camps zurückkehrten. Ich unterhielt mich lange mit meiner Sitznachbarin. Ich hatte in Israel sehr wenig Gelegenheiten, mich mit Arabern zu unterhalten, sodass ich jede Chance wahrnahm. Ich wollte mir beweisen, dass ich keine Vorurteile hegte, dass ich sowohl den jüdischen wie ich auch den arabischen Israeli gleich begegnen konnte. Doch insgeheim wusste ich, dass ich einen Unterschied machte, ob ich wollte oder nicht. Vielleicht hat der Konflikt, den ich im Sommer 2014 „hautnah“ miterlebte, doch seine Spuren in meinen Gedanken hinterlassen, vielleicht lag es auch daran, dass ich im Alltag kaum Kontakt mit Arabern hatte. Wenn es schon mir so ging, die ich doch nur so kurze Zeit im Land lebte, wie mag es erst recht all den arabischen und jüdischen Israeli ergehen, die quasi mit dem Konflikt aufwuchsen und seit Jahrzehnten damit leben mussten. Es ist tatsächlich so, dass es im Alltag kaum Kontakt zwischen Juden und Arabern gibt. Zumindest in meinem Bekanntenkreis in Israel, zu dem nur Juden zählten, gab es keinen (persönlichen) Austausch. Sind die Fronten in diesem Konflikt schon so verhärtet, dass auch der Alltag davon betroffen ist? Ich könnte mir vorstellen, dass es für die arabischen Israeli nicht einfach ist, in einem Land zu leben, in dem sie tagtäglich mit Vorurteilen und Vorbehalten konfrontiert werden. Aber auch in Deutschland ist es nicht anders. Auch ich als Vietnamesin muss gelegentlich Beleidigungen und Diskriminierungen über mich ergehen lassen. Diskriminierung ist kein „israelisches Problem“, insbesondere kein Indiz für ein vermeintliches Apartheid-System. In diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, dass nicht nur arabische Israeli Diskriminierungen ausgesetzt sind, sondern auch Juden selbst (s.u.). Interessant, dass in einer Studie von 2006 82 % der arabischen Befragten sagten, dass sie lieber israelische Bürger als Bürger irgendeines anderen Landes seien (S. 17). Entscheidend für mich ist, dass die arabischen Israeli dem Gesetze nach gleichberechtigte Staatsbürger sind, ein politischer Wille zur Gleichbehandlung und Gleichberechtigung zumindest vorhanden ist.
Vor meiner hipsten Nachbarin musste ich mich jedenfalls nicht fürchten. Sie erzählte mir begeistert von einer geplanten Reise nach Berlin (Berlin und Israeli, eine unendliche Liebesgeschichte!) und Paris.
Nachdem ich in Haifa, eine Stadt an der Mittelmeerküste, angekommen war, fuhr ich direkt mit dem Zug nach Akko, das zu den meistbesuchten Städten des Landes gehört.
Akko liegt ca. 25 km von Haifa entfernt am Mittelmeer und hat aufgrund seiner osmanischen Vergangenheit und aus seiner Zeit als Hauptstadt eines Kreuzfahrerkönigreichs sehenswerte Bauten zu bieten.
Ich irrte eine Weile durch Akko, auf der Suche nach der Kreuzfahrerstadt.
Auf dem Weg dorthin kam ich an einem interessanten Haus vorbei, das vermutlich von arabischen Künstlern bewohnt ist.





Die Kreuzfahrerstadt, bis Ende des 13. Jahrhunderts bewohnt, ist sehr beeindruckend. Man sollte sich für dieses Highlight genügend Zeit nehmen.
Bis zu meiner Rückkehr nach Haifa flanierte ich durch die Altstadt bis zum Hafen. Der Tourismus hat den Krieg ebenfalls zu spüren bekommen. Die Stadt war trotz Schulferien kaum besucht, die vielen Restaurants lagen wie ausgestorben da. Mich hat es zugegebenermaßen gewundert, dass auch jüdische Familien die arabisch dominierte Altstadt besucht haben. Ich hätte eher vermutet, dass die Juden aus Sicherheitsbedenken einen großen Bogen um arabische Vierteln machen würden.

Hier weitere Eindrücke:






In Haifa selbst verbrachte ich nur einen Tag. Haifa ist eine gepflegte Stadt (die drittgrößte in Israel), die als Industriestandort, aber vor allem für eines bekannt ist:

An diesem Tag lief ich sehr viel. Mich wundert es immer noch, dass die Flip Flops mitgemacht haben.
Vom Viertel Hadar HaCarmel, wo ich bei Bekannten übernachtet habe, fuhr ich mit dem Bus Richtung „Deutsche Kolonie“. Unterwegs frühstückte ich ausgiebig an einer Essbude, die beste Art, mit Menschen in Kontakt zu kommen.

Mein Weg führte mich zum Templerfriedhof, der neben dem britischen Soldatenfriedhof liegt. Dieser Templerfriedhof ist neben dem in Jerusalem der einzige noch bestehende und der Tempelgesellschaft zuzuordnen, die nicht mit dem Templerorden verwechselt werden darf.





Ich verbrachte auf dem britischen Friedhof, der sehr gepflegt ist, ein bisschen Zeit. Jemand hat Stühle unter den Palmen gestellt. Dieser Ort war wie eine kleine kühle Oase inmitten der Großstadt. Der gastfreundliche Hausmeister brachte mir Wasser zum Trinken.
Frisch gestärkt begab ich mich auf dem Weg zum Karmeliterkloster, das außerhalb des Zentrums auf dem Berg Karmel liegt.

Ich gönnte mir eine Fahrt mit der Gondelbahn. Für die kurze Strecke war das Ticket relativ teuer, die Fahrt hat sich dennoch gelohnt.

Das Karmeliterkloster ist dem Propheten Elias und seinem Schüler Elischa geweiht.
Vgl. http://www.bibleserver.com/text/HFA/1.K%C3%B6nige17




Auf dem Weg zurück ins Zentrum kam ich an diesem schönen Strand vorbei, wo orthodoxe jüdische Kinder am Strand spielten. Ich habe es wirklich bereut, keinen Bikini bei mir zu haben. Das Meer war verführerisch blau, der Strand sauber und beinahe leer.





Ich spreche aus Erfahrung. 🙂
Vielleicht alkoholbedingt, brauchte ich eine halbe Ewigkeit, um in mein Ghetto zurückzugelangen. Ja, richtig, Ghetto.
Das Wohnviertel lag am Rande der Stadt, es war heruntergekommen, aber nicht ganz ungepflegt. In der Straße, wo ich übernachtete, waren hauptsächlich nur dunkelhäutige Menschen zu sehen. Ich denke, dass die meisten von ihnen aus Äthiopien stammen, also äthiopische Juden sind. Diese Juden werden Beta Israel (Haus Israel, amharisch ቤተ እስራኤል) genannt und werden dem Stamm Dan zugeordnet. Es ist total faszinierend, wo Juden überall gelebt haben. Bei mir auf Rang 1 stehen aber immer noch die chinesischen Juden! 🙂
Zurück zum Ghetto:
Die Plattenbauten stellen Sozialwohnungen zur Verfügung. Zumindest habe ich die Vermutung, dass es sich um Sozialwohnungen handeln könnte. Hierfür sprechen Schilder am Bau, die eine bestimmte Stiftung angeben.
Es war ganz nett, die äthiopischen Frauen zu betrachten, die in ihrer Tracht draußen auf einer Bank saßen und miteinander sprachen. Leider durfte ich keine Fotos machen. Oder den einzigen Imbiss in der Straße, der Pizza anbietet, aber keinen Alkohol.
Ich durfte stattdessen von den „Männern“ Fotos machen:


Insbesondere die äthiopischen Juden scheinen unter Diskriminierung zu leiden. Es ist wirklich auffällig, dass ausnahmslos alle Reinigungskräfte, die ich in den Shoppingmalls und in meinem Bürogebäude gesehen habe, dunkelhäutig sind. Ich gehe davon aus, dass sie Äthiopier sind. Ich habe meinen Bekannten, der ebenfalls Äthiopier ist, auf eine Diskriminierung angesprochen. Er bejahte dies. Ihm zufolge sei die Diskriminierung sehr deutlich. Mir ist eine mögliche Diskriminierung erst in den Sinn gekommen, als ich ihn dabei beobachtet habe, wie er nach Informationen fragte. Mir fiel auf, dass er nicht höflich behandelt wurde. Vielleicht war die Situation nur eine Ausnahme, oder gerade symptomatisch für die israelische Gesellschaft.
Zumindest dieser Spiegel-Artikel legt eine fortwährende Diskriminierung der äthiopischen Juden nahe:
Weitere Quellen:
Mein Fazit für die ganze Reise:
Israel bietet unglaublich viel, vor allem für Menschen, die sich nicht scheuen, auch einmal abseits der ausgetretenen Pfade zu laufen. 🙂