Die Morde von Paris sind nicht den Verfehlungen des Westens geschuldet.
Von Josef Joffe
http://www.zeit.de/2015/48/islamischer-staat-terror-ursachen-westen-schuld
Josef Joffe spricht in seinem Beitrag die Verdrehung von Ursache und Wirkung, die Verwechslung von Opfer und Aggressor an, die dadurch entsteht, dass die Taten von Terroristen mit Versagen in der eigenen Gesellschaft zu erklären versucht werden.
Als ich im Sommer 2014 während des Gaza-Krieges in Israel war, trübten nicht die Raketen der Hamas aus dem Gazastreifen meine Freude, sondern all die gebetsmühlenartigen Artikel und Kommentare in den westlichen Medien, die die nicht zu rechtfertigenden Taten der Hamas und anderer fanatischer Palästinenser insbesondere durch die Politik Israels gerechtfertigt sehen wollten.
Ich stamme aus einem Land, das jahrtausendelang von den Chinesen kontrolliert wurde. Im 19. Jahrhundert kamen die Franzosen als Kolonialmacht ins Land. Während des 2. Weltkriegs wurde Vietnam von Japan besetzt. Im 2. Indochinakrieg (Vietnamkrieg) wurde Vietnam ein Spielball der westlichen Mächte. Allein fünf Millionen Vietnamesen starben während dem Krieg. Die Auswirkungen des von den USA eingesetzten Entlaubungsmittels „Agent Orange“ sind bis heute spürbar. Bis heute werden schwer behinderte Kinder geboren, deren Behinderungen auf „Agent Orange“ zurückzuführen sind. Der Vietnamkrieg wurde 1975 beendet. Das sind jetzt erst 40 Jahre her. Vietnam hat es dennoch geschafft, sich innerhalb dieses kurzen Zeitraums zu einem Schwellenland mit guten Perspektiven zu entwickeln. Das Land ist immer noch keine Demokratie, die Menschenrechte werden immer noch verletzt. Die Lebensbedingungen der Bevölkerung haben sich aber erheblich verbessert.
Und wie hat Vietnam sich so positiv entwickeln können? Durch Reformen und Pragmatismus, nicht durch Verharren in der „Opferrolle“, das Suchen der Schuld bei anderen. Und erst recht nicht dadurch, dass Vietnamesen sich irgendwo in der westlichen Welt in die Luft gesprengt haben oder sich in sonstiger Weise an westlichen Menschen rächen wollten. Zumindest sind mir keine vietnamesichen Attentäter bekannt. Vietnam ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel dafür, wie ein Land sich trotz leidensvoller „Vorgeschichte“ gut entwickeln kann.
Schon in der Bibel steht, dass es leichter ist, den Splitter im Angesicht des anderen zu sehen. Dass man selbst einen Balken im eigenen Auge hat, wird dabei oft nicht beachtet. Entwicklung kann jedoch nicht möglich sein, wenn man sich die eigenen Fehler, das eigene Versagen nicht eingestehen kann und will. Das gilt im privaten Bereich, aber auch in der Politik.
Nachtrag:
Erst jetzt habe ich gesehen, dass Joffe auch das Beispiel Vietnam zitiert hat. Interessant, dass wir beide den gleichen Gedanken hatten.
Hat sich auch bei den Deutschen herumgesprochen, dass die Hygiene in vietnamesischen Lokalen nicht immer den westlichen Standards entspricht? Laut Joffe droht Deutschland nämlich kein vietnamesischer Terrorismus, allenfalls die Fischvergiftung!