Ossip Mandelstam: „Das horchende, das feingespannte Segel“

Vor einiger Zeit fiel mir ein kleines, aber feines Lyrikband des russischen Dichters Ossip Mandelstam in die Hände.

Der Name dieses Dichters war mir gänzlich unbekannt. Vielleicht war die Bezeichnung des schmalen Bandes als legendäre Mandelstam-Übertragung von Paul Celan der Grund dafür, dass ich mir diesen kleinen Luxus gönnte. Legendär verheißt mehr…

Nun, wer war Ossip Emiljewitsch Mandelstam?

Geboren 1891 in Warschau, wird der jüdische Dichter Mandelstam heute als bedeutender Vertreter des sog. Akmeismus verstanden. Die Verfechter dieser russischen Literaturströmung verfolgten als Gegenbewegung zum „Symbolismus“ – mit ihrer komplizierten Mehrdeutigkeit – eine gegenständliche und klare Darstellung in ihren Werken.

Mandelstam lebte in Umbruchszeiten. In den 1930er Jahren begann die Zeit der Stalinschen Säuberungen, denen er letztendlich zum Opfer fiel, wie viele seiner Zeit- und Schicksalsgenossen auch. 1934 wurde Mandelstam das erste Mal verhaftet und für drei Jahre verbannt, als Reaktion auf ein Gedicht, das Stalin offen kritisierte. 1938 erfolgte die zweite Verhaftung und Verbannung zu jetzt fünf Jahren Arbeitslager. Mandelstam fand Ende 1938 in der Haft den Tod.

Aus diesem von Celan übersetzten Sammelband stammt auch das Gedicht „Das horchende, das feingespannte Segel“ von 1910, das mich durch seine lyrische Intensität und den subtilen schmerzlichen Ausdruck der Weltfremdheit sehr angesprochen hat.

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RAINER MARIA RILKE: „Herbsttag“

Was ist seit meinem letzten Blogbeitrag doch nicht alles passiert! Pleite von Air Berlin, Einzug der AfD in den Bundestag … Und nun der Herbst.

Passend zu der braunen Umgebung um uns herum (damit sind nicht nur die schönen Herbstblätter gemeint) würde ich euch heute gerne mit einem Herbstgedicht von Rilke erfreuen, mit dem passenden Titel „Herbsttag“.

Rezitation: Otto Sander

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Bob Dylan: „Girl From The North Country“

Hier ein cooles Duett des diesjährigen Literatur-Nobelpreisträgers Bob Dylan mit Johnny Cash, einem weiteren Urgestein der Musikgeschichte, von 1969. Das Lied „Girl From The North Country“ stammt von Dylan und wurde im April 1963 das erste Mal aufgenommen.

Bob Dylan & Johnny Cash – „Girl from the North Country“

Text

Bob Dylan macht im Video des Öfteren einen interessanten Gesichtsausdruck.  🙂

Und wer noch nicht genug hat, findet hier weitere Best of-Dylan-Lieder der FAZ-Redaktion.

Keep it rolling, Bobby!

Theodor Storm: „Herbst“

Ach, hatte der Sommer uns jüngst nicht noch mit Sonnenschein und Wärme verwöhnt? Nun werden die Tage wieder kälter und kürzer, die warme Jahreszeit schwindet allmählich dahin. Zurück bleibt die Erinnerung an „süße Sommertage“ und eine stille Sehnsucht.

Nun, genug sinniert! Anlässlich des heutigen offiziellen Herbstanfangs darf ich euch ein Gedicht von Theodor Storm präsentieren, über … was wohl?  🙂 Ja, die süßen Sommertage, sie sind dahin, dahin…

Vortrag Fritz Stavenhagen / Musik Herb Weidner

Herbst

Schon ins Land der Pyramiden
 Flohn die Störche übers Meer;
 Schwalbenflug ist längst geschieden,
 Auch die Lerche singt nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
 Streift der Wind das letzte Grün;
 Und die süßen Sommertage,
 Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
 Der dein stillstes Glück gesehn;
 Ganz in Duft und Dämmerungen
 Will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
 Unaufhaltsam durch den Duft,
 Und ein Strahl der alten Wonne
 Rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
 Dass man sicher glauben mag,
 Hinter allem Winterleide
 Lieg' ein ferner Frühlingstag.

(Theodor Storm)

Der aufmerksame Leser wird gemerkt haben, dass ich ein Fan des Duo Fritz Stavenhagen/  Herb Weidner bin, das ästhetisch hochwertige Lyrikvertonungen anbietet, wie die obige.

Wenn ich an den Herbst denke, dann kommt mir unweigerlich „Nebel“ in den Sinn. Und beim Stichwort Nebel drängt sich mir das Gedicht „Im Nebel“ von Hermann Hesse auf, der ein Meister im Ausdrücken von „Weltschmerz-Gefühlen“ ist. Diese „Gabe“ von Hesse ist im angesprochenen Gedicht ebenfalls voll zur Geltung gekommen, das mich nach Hören und Lesen mit einem „wohligen Schauer“ zurücklässt. Oi,oi,oi… da litt jemand an der Welt.

Hermann Hesse: „Im Nebel“

Originalstimme von Hermann Hesse!

Text

SUITE KIỀU

Die deutsch-vietnamesische Buchausgabe des vietnamesischen Nationalepos “Das Mädchen Kiều” ist seit kurzem erhältlich. Anlässlich der Buchpremiere am 01. Mai 2016 hat der Gitarrist Prof. Dang Ngoc Long, seines Namens künstlerischer Direktor der International Guitar Competition & Festival Berlin, die Suite Kiều komponiert. Das musikalische Werk ist etwa 15 Minuten lang. Es besteht aus 7 Sätzen, die die Lebensstadien des Mädchens Kiều wiederspiegeln.

Weitere Informationen finden sich hier:

https://dasmaedchenkieu.wordpress.com/2016/04/16/dang-ngoc-long-suite-kieuto-khuc-kieu/

 

Ingeborg Bachmann: „Böhmen liegt am Meer“

Heute gibt es wieder ein Gedicht von Ingeborg Bachmann, die zurzeit zu meinen favorisierten Dichtern gehört:

Rezitation: Fritz Stavenhagen

Der Ausdruck „Böhmen liegt am Meer“ bezieht sich auf einen fiktiven Handlungsort in Shakespeares Komödie „Ein Wintermärchen“. Er soll einen utopischen Idealzustand darstellen. Dies wird dadurch deutlich, dass das historische Land Böhmen gerade nicht am Meer lag.

Text

Interpretationen:

https://www.xlibris.de/Autoren/Bachmann/Werke/B%c3%b6hmen%20liegt%20am%20Meer

http://www.satt.org/literatur/02_03_bachmann_1.html

Lyrik für Alle Folge: Christine Lavant und Ingeborg Bachmann

Der Herr ist mein Hirte

 

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Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.

Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

(Luther 1984)

Dieser schöne Psalm 23, auch als „Hirtenpsalm“ oder „Psalm vom guten Hirten“ bekannt, wird David zugeschrieben. David lebte um 1000 v. Chr und war nach Saul der zweite König von Israel.

In diesem poetisch religiösen Text wird das bedingungslose Vertrauen Davids in Gott thematisiert. Es wird darin das Bild eines Gottes gezeichnet, der uns wie ein guter Hirte auf unserem gesamten Lebensweg begleitet, uns durch all die Unwägbarkeiten des Lebens hinweg behütet und begleitet.

Der Überlebende

Imre Kertész fand eine Sprache für das Unsagbare. In seinem Werk ging es ihm um die literarisch ausgedrückte Wahrheit des Holocaust. Zum Tod des Nobelpreisträgers

Von Fokke Joel

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-03/imre-kertesz-nachruf

Kertész begriff den Holocaust als universale Katastrophe der europäischen Kultur. Mit Auschwitz gehöre die fabrikmäßige Ermordung von Menschen nicht allein zur deutschen, sondern auch zur europäischen Kultur. Daher werde und dürfe uns Nachgeborenen das Bewusstsein des immer wieder möglichen Bankrotts dieser Kultur nicht mehr verlassen.

 

Frauen des Exils: Elisabeth von Janstein

Heute gibt es ein Gedicht von der fast vergessenen Autorin Elisabeth von Janstein. Janstein (Geburtsname: Elisabeth Jenny Janeczek) war eine böhmisch-österreichische Dichterin und Journalistin, die 1938 nach England fliehen konnte. 1939 wurde sie in England als sog. „enemy alien“ verhaftet. Im Frauengefängnis Holloway verfasste Janstein ein Tagebuch („Holloway Journal“), das bislang unveröffentlicht ist. Sie verstarb 1944 an den Folgen einer Operation.

Radio-Porträt

 

Wand an Wand

Müde bin ich, geh zur Ruh,
Nebenan dein Atmen, du, –
Wenn dein Mund im Schlaf mich nennt,
Weiß ich, daß dich Sehnsucht brennt.

Deines Blutes roter Gang
Geht mein Herz im Traum entlang.
Blüht die Wiese, weites Land,
Pflückt die Blumen meine Hand.

Strömst du weit in Flüssen hin,
Weißt, daß ich zur Seite bin,
Naht sich dir Gefahr und Not,
Teile ich mit dir den Tod.

Dehne deiner Arme rund,
Weich entgegen meinem Mund,
Nimm das aufgebrochne Wort
Zart von meinen Lippen fort.

Müde bin ich, geh zur Ruh,
Nebenan dein Atmen, du –
Bette deinen Kopf zur Wand,
Nah, dann fühlst du meine Hand.