Brüssel schreibt künftig für Produkte aus den israelischen Siedlungen gesonderte Herkunftsbezeichnungen vor. Israelische Diplomaten kritisieren den Schritt scharf.
Von Johannes C. Bockenheimer
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/kennzeichnungspflicht-fuer-waren-eu-setzt-israel-unter-druck/12524692.html
Ich kann mich nicht oft genug darüber wundern, in welcher scheinheiligen Zeit wir leben.
Jetzt will die EU Kennzeichnungspflichen für Waren einführen, die aus umstrittenen israelischen Siedlungen im Westjordanland stammen. Laut einem Artikel in der JA soll diese Kennzeichnungspflicht auch für Produkte aus Ost-Jerusalem und dem Golan Anwendung finden. Damit müsste Israel in der europäischen Politik einmal mehr eine singuläre Stellung innehaben. Ich wüsste nämlich nicht, dass für Produkte aus Tibet, Nordzypern und der Krim, nur um einige zu nennen, eine solche Kennzeichnungspflicht besteht.
Zur Frage, ob die Siedlungen nun illegal oder doch „nur“ umstritten sind, habe ich übrigens einen interessanten Artikel von Arthur Cohn gefunden, der genau dieser Frage nachgeht. Cohn zufolge liege eine Illegalität gerade nicht vor.
Die EU verteidigt dieses Vorgehen laut Tagesspiegel-Artikel damit, dass damit nur die seit „Jahren bestehende EU-Regeln zum Verbraucherschutz umgesetzt“ würden. Für David Walzer, Israels Botschafter bei der EU, sind diese verbraucherschutzrechtlichen Gesichtspunkte nur Vorwände. Die EU solle das Kind beim Namen nennen. Bei der Kennzeichnungspflicht geht es dem Botschafter zufolge nicht um Verbraucherschutz, sondern um die politische Stigmatisierung Israels. Der Verbraucherschutz würde nur für politische Zwecke missbraucht.
Etwa 1,5 Prozent der israelischen Exporte wären laut Brüssel von den neuen Kennzeichnungspflichten betroffen. Ausnahmen von dieser Kennzeichnungspflicht sollen jedoch bei Agrarprodukten gelten.
Mir drängt sich die Frage auf, ob bei dieser EU-Entscheidung die Palästinenser berücksichtigt wurden, deren Existenzgrundlage durch diese Entscheidung zerstört werden könnte. Wer gibt ihnen Arbeit, wenn die israelischen Firmen sich aufgrund des politischen Drucks aus dem Westjordanland zurückziehen, wie bereits geschehen?
Nach internen Angaben soll die Kennzeichnungspflicht nur der erste Schritt sein. Es sei geplant, zukünftig auch Bank- und Darlehensgeschäfte, Steuerbegünstigungen und Ausbildungsabschlüsse zu „differenzieren“. Demnach hat der damalige Außenminister Avigdor Lieberman nicht ganz unrecht, als er seinen europäischen Kollegen empfahl, „doch gleich einen gelben Stern auf die Produkte zu kleben“.